Herzlich Willkommen

Über diesen Blog

Angefangen haben wir als Duett, nachdem bei meinem geliebten Kater ebenfalls Krebs festgestellt wurde. Dabei hat mich der vierbeinige Onkomiezenfreund immer wieder neu inspiriert und mir viel Kraft gegeben.

Inzwischen muss die zweibeinige Onkomiezenrebellin in den CancerWars leider alleine gegen den imperialen Krebs kämpfen. Und es gibt immer noch viel zu erzählen, was ich mit Euch teilen möchte. Ich freue mich über den Austausch, über die Sichtweisen von anderen Betroffenen und Gesunden.

Heute möchte ich der Realität einfach mal entfliehen. Und wider allen Statistiken das scheue Gefühl genießen, dass alles gut ist, so lange es währt …

Das Han Solo Gefühl

Neulich war ich seit mehr als einem Jahr wieder beim Friseur. Ein erster Versuch, das wuchernde Post-Chemo-Gestrüpp in Form zu bringen. Die Friseurin machte große Augen, als ich ihr den Grund für meinen frisurlosen Zustand erklärte. Krebs scheint ja vielerorts noch immer hinter verschlossenen Türen stattzufinden. „Ist jetzt alles wieder gut?“, fragte sie ängstlich hinter ihrer fröhlich-bunten Maske. Ohne nachzudenken, bejahte ich die Frage. Zu Recht? 

Mein medizinisches Halbwissen widerspricht deutlich. Eierstockkrebs kommt nunmal bei 70 bis 80 Prozent aller Fälle zurück und wenn das passiert ist, gilt frau als unheilbar. Mein Gendefekt verschlechtert meine Chancen zusätzlich. Murphy-Jackpot. Trotzdem habe ich an guten Tagen das starke Gefühl, den Krebs erstmal hinter mir gelassen zu haben. Auch wenn ich jeden Tag die Folgeschäden der radikalen Behandlungen spüren kann. Und faktisch immer noch eine Krebspatientin bin, in der versprengte Tumorzellen wie Schläfer einer Terrororganisation darauf lauern, mit einem Rezidiv zuzuschlagen. 

Dennoch ist sie aus tiefsten Innerem da, diese Pseudo-Gewissheit. Ohne dass ich sie mir rational erklären kann. Die sich anfühlt wie eines meiner Lieblingszitate des Star Wars Charakters Han Solo: „Sag mir nie, wie meine Chancen stehen!“. Genau meine Einstellung zu Statistiken – zumindest an guten Tagen. Dieses Han Solo Gefühl hat mir oft geholfen, bei unklaren Befunden nicht durchzudrehen. Mich dazu ermutigt, bis zur Abklärung von einer harmlosen Erklärung für verdächtige CTs oder krumme Blutwerte auszugehen. Bisher hatte ich mit diesen Arbeitshypothesen jedes Mal Recht behalten. Düstere Prognose hin oder her. 

Darf ich also hoffen? Sogar auf Heilung? Oder wird mich meine Augenwischerei eines Tages bitter einholen? Vermutlich. Denn ich bin auch Realist. Dafür sorgt mein Sith Lord „Darth Rezidivangst“. Zum ersten Mal hatte er mich nach meiner zweiten OP auf der Intensivstation besucht, umgeben von quälenden Schreien meiner Mitpatienten hinter den dünnen Vorhängen. An weniger heroischen, dunkleren Tagen begleitet mich Darth Rezidivangst zuverlässig zu meinen Kontrollterminen. Im Wartezimmer stimmt er mich auf mögliche Hiobsbotschaften ein und zeigt mit seinen dürren Fingern auf Statistiken zu meiner überschaubaren Lebenserwartung. Erinnert mich daran, dass die vergangene Chemo wahrscheinlich nicht meine letzte bleiben würde.

Deshalb bade ich so gerne in dem Han Solo Gefühl, wenn ich es gerade spüren kann. Wie es die Romanautorin Ildiko von Kürthy in ihrem aktuellen Roman auf den Punkt brachte: „Du kannst Dich nicht zu früh freuen, nur zu spät“. Ich lebe dann nicht jeden Tag, als wäre er mein letzter, sondern träume lieber von einer ereignisreichen Zukunft. Sollte mir in einem halben Jahr ein Rückfall meine Pläne durchkreuzen, war ich immerhin sechs Monate zuversichtlich. Und auch ein Rückfall muss nicht das Ende sein, wie ich von vielen bewundernswerten Heldinnen lernen durfte, die trotz mehrerer Rezidive viele Jahre gut damit leben. Sie haben Statistiken und düsteren Prognosen einfach den Stinkfeiner gezeigt. Ja, es sind Ausnahmen. Aber es gibt sie.

Meine Han Solo Realität ist also nicht unbedingt falsch. Sondern einfach nur weniger wahrscheinlich. Und deshalb will nicht wissen, wie meine Chancen stehen. Die nüchterne Antwort könnte mir den Mut rauben, überhaupt an Chancen zu glauben. Viel lieber steige ich ab und zu in den Millennium Falcon des Optimismus, dem zur perfekten Realitätsflucht nur noch der Unwahrscheinlichkeitsdrive fehlt. Fliegt jemand mit?


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5 Kommentare zu „Herzlich Willkommen“

  1. Hallo Onkomiezen,
    Tja – ich habe gelacht, da es witzig geschrieben ist. Ich kann aber auch mitfühlen, da mein Körper auch aussieht, als ob ich in Kambodscha durchs Mienenfeld gelaufen bin….. Die Zeit ohne Haare war dann eben auch noch die Krönung – ein Leben als Zombie. Mitgefühl darf man leider nicht viel erwarten. Die Menschen haben Angst, dass es sie auch trifft. Also – jeden Tag genießen und es gibt immer etwas sehr wunderbar schönes zu entdecken. Mir sind viele Dinge durch die schwere Krankheit ziemlich egal geworden, das hilft sehrrrrrr…… Große Umarmung – Maria

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